Seminar Buntpapiere 2023

Seminar-Bericht: Buntpapiere für Bücherliebhaber*innen
Leipzig, Oktober 2023

Brokatpapier, Bronzefirnispapier, Herrnhuter Kleisterpapier, Kattun- oder Modeldruckpapier, Sprenkelpapier, Marmorpapier (Kammmarmor – Steinmarmor – Schneckenmarmor), Baummarmor- und Wurzelmarmorpapier, u. v. a. m.
Begriffe, die den Bücherliebhaber*innen geläufig sein mögen, aber hier und da zu Fragen führen.  
Ein Bericht von Wulf D. v. Lucius


Buntpapier

Ein Seminar der Maximilian-Gesellschaft in Kooperation mit der DNB Leipzig.

Seit Jahrhunderten faszinieren fantasievolle, oft technisch raffinierte und mit prunkvollen Farben gestaltete Buntpapiere die Liebhaber schöner Bücher. Jeder kennt sie, aber oft fehlt es an genauerem Wissen über Herstellungstechniken und die zeitliche Einordnung der ganz unterschiedlichen Typen von Buntpapieren. Aus dieser Einsicht heraus hat die Maximilian-Gesellschaft – federführend in der Planung war dabei Dieter Lehnhardt – im Oktober 2023 ein Seminar veranstaltet, dessen Teilnehmer tief in die Details dieses Sondergebiets der Einbandkunde eindringen konnten. Für den Erfolg war der gewählte Ort entscheidend: 
Die Deutsche Nationalbibliothek in Leipzig verfügt seit hundert Jahren über eine sehr bedeutende, durch Zuerwerbe laufend angebaute Sammlung von Buntpapieren, die im Deutschen Buch- und Schriftmuseum ihren Standort hat.

Die Kuratorin dieser Sammlung, Julia Rinck, präsentierte den Teilnehmern eine eindrucksvolle Auswahl von Beispielen aus diesen großen Beständen – sowohl in Form von Bögen wie in Gestalt von Büchern, die als Broschuren, Deckelbezüge oder Vorsatzpapiere Buntpapier enthalten.
An die instruktiven, power-point unterstützten Einführungen zu den verschiedenen Teilbereichen schlossen sich ausführliche praktische Teile an, in denen die Exponate eingehend betrachtet und in die Hand genommen werden konnten – diese vertrauensvolle Liberalität, mit der die Seminarteilnehmer die Materialien erleben und ertasten durften, war eine besondere Auszeichnung. Allein dadurch konnten auch erfahrene Bücherfreunde viel Neues erfahren, bzw. vorhandenes Wissen vertiefen.

Zunächst behandelte Julia Rinck die drei Essentialia beim Buntpapier, die Veredelung (insbesondere durch die Farbe), den Flächendekor (d.h. ein Rapport) und die Vielfalt der Verarbeitungsmöglichkeiten (als Vorsatz, für Schachteln, Deckelbezüge, Möbel u.a.).

Schwerpunkt des Seminars waren die handwerklich-manufakturmäßig hergestellten Papiere, die gedruckten Papiere des 19. und 20. Jahrhunderts blieben aber nicht unbeachtet. Zunächst präsentierte Julia Rinck japanische Suminagashi-Papiere, die in manchem den westlichen Marmorpapieren ähneln, aber auf reiner Wasserbasis gefertigt werden. Sodann orientalische Papiere wie Ebru oder Hafis, deren Wasser Tragant oder andere Substanzen beigegeben werden, wie das dann bei den europäischen Papieren (oft auf Caragheen Basis) auch der Fall ist. Als Farben dienen meist Wasser -, manchmal auch Ölfarben. Eine andere Technik ist die der Kleisterpapiere, die seit dem 17.Jhdt sowohl einfarbig wie auch mehrfarbig gefertigt werden. In Deutschland sind aus diesem Genre die sog. „Herrnhuter Papiere“ sehr bekannt. 
Neben den vorstehend skizzierten rein manuell und Bogen für Bogen unikal hergestellten Buntpapieren stehen die gedruckten Papiere, die in allen bekannten Techniken (Hochdruck, Flachdruck, Tiefdruck oder Durchdruck) hergestellt werden. Im 18. Jhdt sind das insbesondere die Kattun- oder Dominotierpapiere, oft mit Holzmodeln aus dem Textildruck gefertigt, dazu weitere Farben in Schablonenkolorit (au patron) hinzugefügt.

Besonders anspruchsvoll sind Bronzefirnispapiere und Brokatpapiere, bei denen die metallisch glänzenden Teile mit farbigen Elementen verbunden werden. Diese Papiere bedurften sehr aufwendiger Techniken wie gravierte geheizte Kupferplatten zur Metallfolienprägung. Ab 1800 wurden hochglänzende Buntpapiere  beliebt, die durch Handglättung mit Achaten oder durch Heißkalander veredelt wurden. Im 19. Jhdt expandiert die Buntpapierherstellung durch industrielle Herstellung sehr stark. Im Historismus kamen noch weitere Veredelungsformen wie Moiré-Prägung oder lederartig gestaltete Papiere hinzu. Das 20.Jhdt brachte eine starke Wiederbelebung der handgefertigten Papiere , insbesondere in Form der sog. Künstlerpapiere, wie sie anspruchsvolle Werkstätten, z.B. die Wiener Werkstätte schufen. Nach den ausführlichen Darlegungen und Vorzeigungen von Beispielen gab es – ein ganz besonders gelungener Teil des Seminars, den Frau Rinck sorgfältig vorbereitet hatte – praktische Übungen: es wurden Blätter oder Bücher ausgegeben, die Teilnehmer hatten diese dann im Licht der gehörten Darlegungen zu bestimmen und zu beschreiben. Dieser praktische Teil wurde noch bereichert dadurch, dass alle Teilnehmer im Vorfeld aufgefordert worden waren, instruktive Beispiele aus ihren Sammlungen mitzubringen und zu erläutern. Auch dies war eine große Bereicherung und führte zu vertieftem Kennenlernen der Teilnehmer untereinander.

Ein weiterer Höhepunkt der Veranstaltung war die Vorführung der Fertigung durch den Handmarmorierer Dirk Lange. Herr Lange hatte Becken, Farbtöpfe, Pinsel, Kämme, Kleister und alles sonst benötigte aufgebaut. Es war absolut faszinierend, wie da großartige Buntpapiere verschiedener Dekorformen entstanden. Eine Kunst, die nur wenige beherrschen.  

Das erfolgreiche Seminar der Maximilian-Gesellschaft hat alle Teilnehmer sehr bereichert und es ist zu wünschen, dass weitere folgen werden. Wer nicht teilnehmen konnte, sei auf das sehr schön gestaltete Buch von Julia Rinck und Susanne Krause „Handbuch Buntpapier“ (Hauswedell Verlag) hingewiesen, das detailliert das Buntpapier und seine Geschichte darstellt und durch eine Fülle hervorragender Abbildungen die Faszination Buntpapier nacherleben lässt.
Wulf D. v. Lucius